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Im Gespräch mit Stefan Malik zur Anerkennungskultur in den Freiwilligendiensten: Da geht noch was

Rund 100.000 Freiwillige engagieren sich jedes Jahr in den Jugendfreiwilligendiensten FSJ und FÖJ sowie im Bundesfreiwilligendienst. Sie übernehmen gesellschaftliche Verantwortung – und das verdient große Anerkennung, so die einhellige Meinung aller beteiligten Akteure. Doch wie ist es um die Anerkennungskultur konkret bestellt? Was läuft gut, was muss noch besser werden? Und wie passen Anerkennung und Validierung und das freiwillige Engagement zusammen? Wir haben bei Stefan Malik, Sprecher des Bundesarbeitskreises FSJ, nachgefragt.

Stefan Malik, Sprecher Bundesarbeitskreis FSJ
Stefan Malik, Sprecher Bundesarbeitskreis FSJ

Herr Malik, der BAK FSJ hat im März ein Positionspapier zur Anerkennungskultur in den Freiwilligendiensten veröffentlicht. Warum ist es für unsere Gesellschaft so wichtig, die Anerkennung im Bereich der Freiwilligenarbeit weiter zu verbessern?

Ganz klar: Bürgerschaftliches Engagement ist eine wesentliche Basis für den gesellschaftlichen Zusammenhalt - und Freiwilligendienste sind eine besondere Form dieses Engagements. Freiwillige leisten wertvolle und wichtige Arbeit, zum Beispiel in Kindertagesstätten, in der Kranken- und Altenpflege, in der Behindertenhilfe, in den Bereichen Bildung, Kultur und Sport. Und davon profitieren beide Seiten: Die Freiwillige lernen durch den Freiwilligendienst neue Bereiche kennen, mit denen sie im Vorfeld häufig nie in Berührung gekommen sind und das hilft, Vorurteile und Barrieren bei allen Beteiligten abzubauen und unsere Gesellschaft zu stärken. Diese Arbeit, das Engagement und seine positiven Nebenwirkungen verdienen gesellschaftliche Anerkennung!

Sie nehmen in Ihrem Papier die Bundes- und Landespolitik, die Wirtschaftsunternehmen und die Zentralstellen, Träger und Einsatzstellen gleichermaßen in die Pflicht. Welche zentralen Forderungen stellen Sie denn an die Politik? Und was muss sich in der Wirtschaft tun?


Auf Bundesebene muss es aus unserer Sicht eine bessere Zusammenarbeit der zuständigen Ministerien geben. Das BMFSFJ will in diesem Kontext durchaus etwas bewegen, stößt aber bei anderen Bundesministerien wie zum Beispiel dem BMAS auf verschlossene Türen. Deshalb lautet unsere Forderung an den Bund: Bitte zieht Euch nicht darauf zurück und sagt: „Dafür sind nicht wir zuständig, sondern die Länder/Kommunen“. Denn selbst in Fällen, wo das zutrifft, ist es Aufgabe der Bundespolitik aktiv zu werden und sich nicht abspeisen zu lassen. Darüber hinaus ist es wichtig und zielführend, Werbung zu machen bei Wirtschaftsunternehmen, aber auch bei staatseigenen Unternehmen wie zum Beispiel der Bahn mit dem Ziel, besondere Konditionen für Freiwillige herauszuholen. Auch die Länder können etwas bewegen und größere Anstrengungen unternehmen, um günstige ÖPNV-Ländertickets zu entwickeln oder vergünstigte Eintritte in Museen und Schwimmbäder zu schaffen. Sinnvoll wäre auch, durch eine Änderung des Rundfunkrahmenvertrages die Freiwilligen von der Rundfunkgebühr zu befreien. Insgesamt kann und muss die Politik aus unserer Sicht auch Einfluss nehmen, um die immaterielle Anerkennung zu stärken und das Engagement zum Beispiel im Rahmen einer Kampagne sichtbar zu machen. In der Wirtschaft fordern wir einen Bewusstseinswandel, damit der Freiwilligendienst im Lebenslauf des Bewerbers oder der Bewerberin auch als Gewinn für die Unternehmen wahrgenommen wird.

Der vom BAK FSJ ebenfalls veröffentlichte Überblick über Best Practice Beispiele der Anerkennungskultur zeigt: Viele Einsatzstellen haben wirkungsvolle Ideen. Welche Schwierigkeiten bei der Etablierung einer Anerkennungskultur gibt es denn, was berichten die Träger und Einsatzstellen?

Zunächst einmal will ich sagen, dass erfreulicherweise immer mehr Träger und Einsatzstellen den Wert einer gelebten Anerkennungskultur erkennen und die wirkungsvollen Ideen zunehmend praktizieren. Schwierigkeiten gibt es zum Beispiel immer dann, wenn aufgrund fehlender personeller oder zeitlicher Ressourcen die Freiwilligen in der Einrichtung nicht ausreichend betreut werden können. Wir empfehlen deshalb, das Thema Anerkennung in den Mindest- bzw. Qualitätsstandards für Träger und Einsatzstellen zu verankern, um es verbindlich einfordern und weiter etablieren zu können.

A-Z der Anerkennungskultur

 

Es gibt vielfältige Beispiele für eine Anerkennungskultur in Organisationen. Der Bundesarbeitskreis FSJ hat aus den unterschiedlichen Trägern und Einsatzstellen Beispiele aus der gelebten Praxis gesammelt. 

>> hier gehts zu den Beispielen A-Z

Anerkennungsformen in Freiwilligendiensten

Neben den bereits praktizierten Beispielen aus Trägern und Einsatzstellen hat der BAK FSJ in einer Übersicht auch Vorschläge gesammelt, wie Zentralstellen, Bund, Länder und Kommunen zu einer besseren Anerkennungskultur in den Freiwilligendiensten beitragen können. 

>> zur Übersicht Anerkennungsformen


Der BAK hat in seinem A-Z für Anerkennungskultur viele tolle Beispiele gesammelt, die leicht umzusetzen sind. Welche Beispiele kommen auf Ihre Top 5-Liste, Herr Malik?

Wichtig finde ich es, vielfältige Partizipationsmöglichkeiten für Freiwillige in der Einsatzstelle zu schaffen, zum Beispiel durch Freiraum für eigene Projekte oder regelmäßige Teilnahme an Dienstbesprechungen und im Rahmen der Bildungsseminare zu schaffen. Toll ist es auch, den Freiwilligen als Einsatzstelle oder Träger eine kostenfreie Bahncard bzw. Zeitfahrkarte für den Nahverkehr zur Verfügung stellen. Auch ein guter Tipp: den Freiwilligen als Träger eine kostenfreie Schulung zum Erwerb der Jugendleitercard anbieten. Oder ein Tandem-Projekt ermöglichen, bei dem sich Freiwillige in ihrer Seminargruppe einen Tandempartner aussuchen und sich dann gegenseitig in ihren beiden Einsatzstellen besuchen, um dort im Sinne der Berufsorientierung für 3-5 Tage zu hospitieren. Die öffentliche Anerkennung von Projekten, die von den Freiwilligen selbst initiiert und durchgeführt wurden ist schließlich auch ganz entscheidend – der Träger oder die Einsatzstelle sollte sich also bemühen, diese Projekte in der lokalen Tagespresse, mindestens aber auf der eigenen Website und zu platzieren.

Stefan Malik ist Referent für Freiwilligendienste beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und Sprecher des Bundesarbeitskreises Freiwilliges Soziales Jahr (BAK FSJ).